Das Verhalten der Warzenente
V. DISKUSSION
Länger als vier Jahre habe ich meine Warzenenten beobachtet.
Nach mehr als zwei Jahren bemerkte ich, daß die Tiere, indem sie
mit mir und mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Gelände immer
vertrauter wurden, Verhalten zeigten, das vorher nicht zu beobachten
war.
1992 hatten sie mich schließlich völlig integriert. Dies ergab
sich zum Beispiel aus der Art der Begrüßung, daraus, daß die
Erpel sich zwischen mich und seine zu dem Zeitpunkt bevorzugten Ente
stellt, auch daraus, daß die Enten nicht einmal die Augen öffnen,
wenn sie ruhen und ich durch das Gelände gehe. Tiere, die krank
sind oder sich verletzt haben, kommen vertrauensvoll zu mir.
Das Kennenlernen des Gelandes dauerte Jahre: meine Warzenenten dürfen
sich völlig frei bewegen. Sie haben jetzt die an unser Grundstück
grenzende Ache in einer Länge von ca. 1,5 bis 2 km in ihre Reviere
aufgeteilt, wobei die Grenzen flexibel sind. Sie können inzwischen
mit der Strömung des Flusses umgehen, wissen genau, wo sie
schwimmen müssen, wenn sie flußaufwärts gelangen wollen. Die natürlich
im Gelände vorkommenden Gefahrensituationen wie Fuchs oder Greifvögel,
die fast nur Küken und Subadulten gefährlich werde, wissen sie zu
vermeiden. Auch das fremde Menschen im Gelände Gefahr bedeuten
wissen sie jetzt und verhalten sich so, daß man sie kaum entdecken
kann. Sie versuchen es dann so einzurichten, daß immer ein
Baumstamm zwischen ihnen und den als gefährlich eingeschätzten
Menschen steht. Auch wählen sie ihre Schlafplätze, wenn sie an der
Ache übernachten, jetzt so gut, daß ich im letzten Jahr keine mehr
durch Fuchs oder streunende Hunde verloren habe.
Die lebenserhaltenden Verhaltensweisen, die das Haustier
Warzenente von seinen wilden Vorfahren, den Moschusenten, geerbt
hat, können nur beobachtet werden, wenn die Umweltanforderungen
jahrelang gegeben sind.
Eine genaue Beobachtung der Brut und der Kükenaufzucht ist mir
jetzt möglich, seit sich das oben beschriebene Vertrauensverhältnis
aufgebaut hat. Meine Beobachtungen können nicht ohne weiteres mit
anderen verglichen werden, da mir aus der Literatur kein Fall
bekannt ist, in dem eine ähnliche freie Haltung der Warzenenten
beschrieben worden wäre.
Aus meinen Beobachtungen ist zu schließen, daß die
Nutztierhaltung der Warzenente, wie sie in Europa in sogenannten
Produktionsstätten betrieben wird, als Tierquälerei zu werten ist.
Da die Warzenente sehr neugierig und aktiv ist, benötigt sie im
Stall - bei Stallhaltung - ähnliche Einrichtungen, wie man sie für
Schweine erarbeitet hat. Man sollte zum Beispiel durch Wände möglich
machen, daß ein schwächeres Tier dem Stärkeren aus dem Blick
gehen kann. Auch sollte die Möglichkeit geschaffen werden, daß
aktive Tiere sich mit Klettern oder anderen Dingen beschäftigen können,
ohne daß die gerade Ruhenden dauernd gestört werden. Ein Streßsituations-Abbau
würde sicherlich das Beschneiden der Krallen, der Schnabelbohne und
der Flügel unnötig machen und Kampfverletzungen vermeiden helfen.
Dieses Beschneiden ist auf jeden Fall als schwerer Eingriff am Tier
zu werten und beeinträchtigt das Wohlbefinden auf jeden Fall beträchtlich.
Einen Weideaufenthalt halte ich für unbedingt notwendig, denn
die Warzenenten weiden Gras und Kräuter wie Gänse.
Die adulten Warzenenten können auch im Winter bei Frost den
ganzen Tag draußen verbringen, wenn sie die Möglichkeit haben,
sich auf trockene Plätze zurückziehen zu können. Bevorzugt werden
erhöht angelegte Liegemöglichkeiten.
Haltung ohne Wasser zum Baden ist nicht zweckdienlich und außerdem
unwirtschaftlich, da schmutziges Gefieder nicht mehr wärmeisolierend
wirkt, die Tiere durch das Frieren leichter krank werden und auch
mehr Futter benötigen, um das Schlachtgewicht zu erreichen.
In der Literatur stellte ich fest, daß leider keine
Tageszeitangaben bei den beschriebenen Beobachtungen gemacht wurden.
Ich habe aber festgestellt, daß es von der Tageszeit abhängt, ob
man bei adulten Vögeln Paare, Einzeltiere oder Gruppen antrifft.
Die Jahreszeit wirkt sich viel weniger darauf aus.
Zu dem von mir beobachteten Tragen von Eiern von einem Nest zu
einem anderen ohne sie zu beschädigen habe ich leider kein Foto. In
der Literatur fand ich keinen Hinweis darauf, daß dieses Verhalten
schon einmal beobachtet worden ist. Auf Grund dieses Verhaltens
stellt sich nun die Frage, ob die in der Natur gefundenen größeren
Gelege nicht von der jeweiligen Ente zusammengetragen worden sind.
Etwaige Ersatzgegenstände wie z.B. Steine oder andere Sachen haben
meine Enten nicht in ihre Nester geschafft.
Mit dem von mir beobachteten Fluchtverhalten verhält es sich mit
der Literatur ebenso wie mit dem Eiertragen: ich fand keinerlei
Hinweise darauf, daß es schon beobachtet worden wäre. Daraus
ergibt sich, daß durchaus in freier Wildbahn viel mehr Tiere
vorhanden sein können als beobachtet wurden.
Beide Verhaltensweisen sollten noch quantitativ bearbeitet
werden, was ich in den folgenden Jahren auch vorhabe.
Ich hoffe, daß ich mit meiner Arbeit einen Anstoß liefere dem
Verhalten und Bedürfhissen der Warzenente mehr Aufmerksamkeit zu
widmen.
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