Das Verhalten der Warzenente


VI. Beobachtungen

1. SOZIALVERBÄNDE UND IHRE STRUKTUREN

a. Aufbau der Gruppen

DONKIN (Donkin, 1989, pp.186) berichtet, daß die Moschusente oft alleine oder paarweise beobachtet wurde, gelegentlich in Gruppen von zehn bis fünfzehn Tieren. Bei Trockenheit schlossen sich vorübergehend vierzig bis fünfzig Tiere zusammen.

Meine Enten haben im Laufe von zweieinhalb Jahren drei Gruppen gebildet. Jede Gruppe besteht aus einem Erpel, der ein Revier besetzt hat, einer oder einigen Enten, die nicht wechseln und einer Anzahl von Enten, die wechseln. Die Erpel haben das zur Verfügung stehende Gelände untereinander mittels Kämpfen aufgeteilt. Diese Gruppen bestehen (dieses Jahr, 1993) aus:

Protokollausschnitt:

14.05.1993, 1230 Uhr: Bubi auf der Terrassenmauer mit Bea und Nergerfüß mit schwarzem Schnabelansatz, DA 066 und NH 314 liegen vor dem Hühnerwagen

16.06.1993, 1600 Uhr: Bubi weidet mit Bea, Negerfuß mit schwarzem Schnabelansatz, DA 066 und NH 314 bei den Birnbäumen

09.07.1993,  930 Uhr: Bubi kommt mit DA 066 und NH314 vom Teich die Treppe hoch auf die Terrasse

15.08.1993, 1830 Uhr: Bubi steht an der Hangkante beim Apfelbaum. Die vier Enten sind auf dem Hang unterhalb von ihm.

 

l.) Bubis Gruppe:

Bubi (86?), gestorben am 31.10.1993
Bea(87)(+)
Negerfuß mit schwarzem Schnabelansatz (90) (+)
DA 066 (89)
NH314 (90)

2) Pedro's Gruppe:

Pedro (92)
Negerfuß mit weißen Handschwingen (90) (+)
Negerfuß mit schwarzen Handschwingen (90)
Schwarze (91)(+)
Schecki(91)(+)
DA 081 (89)
DA 076(89)
NH 304 (90)
NH 307 (90)
NH314(90)

3) Dicker's Gruppe:

Dicker (89)
Bienchen (90) (+)
AG 516 (90)
Amanda (86) (+)
DA 073 (89)
NH 305(90)
AG509 (90)

Die mit (+) gekennzeichneten Tiere haben seit zwei Jahren nie gewechselt, mit Ausnahme des Negerfußes mit den weißen Handschwingen, dessen Wechsel durch den Tod von Berti zwingend wurde.

Die hier aufgeführten Tiere sind der Grundstock. In den vergangenen Jahren schlossen sich die inzwischen verkauften Alttiere und die jeweils vorhandenen Jungtiere in unterschiedlicher Anzahl diesen drei Grundgruppen an. Jungtiere, das sind Enten, die gerade erst ihre Gesichtsmaske bekommen haben, brauchen ungefähr ein Jahr, von dem Zeitpunkt gerechnet, wenn sie ausgewachsen sind, bis sie sich fix für eine der Gruppen entschieden haben. Änderungen treten sonst nur direkt nach Abschluß der Mauser im Spätherbst bis Winter auf. Sonst wechseln sie immer wieder einmal. Ich glaube daher nicht, daß LORENZ (1992, pp.411) damit Recht hat, "daß das persönliche Sichkennnen der Inividuen eine sehr geringe Rolle spielt", da das von mir beobachtete Bilden von Freundinnen-Gruppen auch ein sich persönlich Kennen voraussetzt.

Kommt es zwischen Freundinnen zu Haß, verläßt die unterlegene Ente die Gruppe und schließt sich fortan an eine andere an.

 

b. Sozialstrukturen

Bei den Enten kommt es zur Ausbildung von Freundschaften zwischen zwei (einmal drei) Enten. Diese Enten gehen gemeinsam zum gleichen Erpel, fressen, baden etc. gemeinsam. Beim Ruhen oder Schlafen liegen sie mit direktem Körperkontakt oder einem sehr kleinen Abstand zueinander.

Sie brüten entweder in einem gemeinsamen Nest oder in Nestern, die sehr eng beieinander liegen. Wenn die Küken geschlüpft sind, führen, hudern und verteidigen sie diese gemeinsam. Während des Schlupfes und in den ersten 48 Stunden, in denen die Küken das Nest noch nicht verlassen, befinden sich unter der ranghöchsten Ente die meisten Küken. Bei einer solchen Gemeinschaftsbrut verlassen nie alle Enten gleichzeitig das Nest, sondern es bleibt immer eine zurück. Erstaunlicher weise sterben trotzdem nicht mehr Eier während der Brut ab, als bei einer alleine brütenden Ente,
obwohl so keine Abkühlphase eintritt. Gewendet werden sie vielleicht sogar häufiger als andere Eier, da jede Ente, die ins Nest zurückkehrt sich einige Eier unter der zurückgebliebenen hervorrollt. Wenn sie in einer Reihe hintereinander brüten, bleibt die zurückgebliebene Ente ganz hinten. Die nächste, die kommt, rollt sich so viele Eier, wie sie erreichen kann, unter sich. Wenn nun die dritte kommt, rollt sie Eier unter der zweiten hervor. Diese sind dadurch dann zwei Mal gewendet worden.

Küken haben einen sehr engen Kontakt zueinander. Beim Schlafen bilden sie Schlafhaufen, in deren Inneren diejenigen liegen, die am meisten frieren.

Sehr gerne liegen sie mit dem Schnabel im Gefieder eines der Geschwister. Nach dem Beringen knabbern sie am eigenen Ring und auch an denen ihrer Geschwister. In zwei Kükengruppen konnte ich beobachten, daß ein Küken einem anderen Dreck aus dem Gefieder entfernte.

Schlafhaufen mit Mutter - Sleeping-heap with mother
  

 

 Erdmuthe Farthofer

c. Verhalten im Gelände

MEHNER (in Hammond et al., 1961, pp. 465) schreibt: "Sie gedeiht auch ohne Wasser, fliegt aber gerne und streicht daher leicht ab, weshalb man sie zur Zucht in Volieren hält oder die Flügel stutzt." Meine Beobachtungen bestätigen, daß die weiblichen Enten sehr gerne fliegen, aber sie kehren immer wieder zu ihrem Stall zurück. Auch im Gelände an der Ache kann ich rein daran, welches Tier fehlt, sagen wo ich nach ihm suchen muß, da ich die jeweils beliebtesten Aufenthaltsplätze meiner Tiere kenne. Sie sind standorttreu. Nur Katastrophen (Feindangriffe, fremde Menschen im Gelände etc.) bringen sie dazu, ihr Revier zu verlassen. Bei mir wurden noch nie einer Ente die Flügel gestutzt.

DONKIN (Donkin, 1989, pp. 186) schreibt: "They are not considered to migrate; on the contrary, they appear to have a strong sense of resident territory." Wie er schreibt, schlafen sie in Bäumen und suchen dafür jede Nacht den selben Platz auf. Auch bei mir schlafen die Alttiere jede Nacht im Stall am selben Platz.

Bubi übernachtet im oberen Stall. Am Morgen geht er nach unten zum Teich zum Trinken und holt die Enten ab, die mit ihm gehen wollen und nicht im oberen Stall übernachten. Sein Revier umfaßt die obere Wiese, die Hecke zum Nachbarn und zur Straße, den Autoparkplatz und den Hang bis zum Plateau, der teilweise auch von Dicker frequentiert wird. Gemeinsam mit Dicker benutzt er die Wiese oberhalb des Wallnußbaumes.

Pedro geht oder fliegt (das ist vom Gefiederzustand und von der Ente, die er begleitet abhängig) in der Früh mit dem Grundstock seiner Gruppe an die Ache. Der Aufbruch wird von den Enten bestimmt, niemals vom Erpel. Mit seinen Enten hält er sich den ganzen Tag unterhalb meines Geländes, flußabwärts und flußaufwärts bis zum Schwimmbad auf. Weiter flußaufwärts habe ich ihn noch nie gesehen, obwohl einige der Enten sich manchmal in der Ache auf Höhe des Schnitzhofheims aufhalten.

Dicker hält sich vorrangig in der Nähe des Teiches und des Stalles auf. Mit manchen Enten geht er aber auch auf den Hang bis zu den Fichten. In den vergangenen Jahren hielt er sich im Frühjahr auch an der Ache auf, aber nur ein Mal sehr weit von meinem Gelände entfernt. Dieses Jahr (1993) war er noch kein einziges Mal unten. Der Wasserstand der Ache ist aber auch höher als in den vergangenen vier Jahren und damit die Strömung viel reißender.

Bubi auf einem Baumstumpf stehend, sodaß er den größten Teil seines Reviers überblicken kann. Auch zum Putzen nach dem Baden suchen die Enten gerne solche erhöhten Plätze auf.

Bubi standing an a stump , so that he can run the eye over his temtory. The ducks also frequent such heightened places.

Die drei Erpel verteidigen ihre Reviere und gehen nicht ohne zwingenden Grund (Durst, Gefahr durch Greifvögel, fremde Menschen oder fremde Hunde im Gelände, der Stall des einen liegt im Revier des anderen) in das Revier eines anderen Erpels. Diese Beobachtung widerspricht der Aussage von ENGELMANN (Engelmann, 1984, pp.196), der schrieb: "Zum bekannten Revier entwickeln sie (Anmerkung: auf Enten allgemein bezogen. Warzenenten sind nicht extra aufgeführt) keine persönlichen Beziehungen im Sinne eines Besitzanspruches".
 

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